BEKENNTNIS DER GEMEINDE 

Die Zustimmung zu dieser theologischen Erklärung ist Voraussetzung für die Gemeindemitgliedschaft. 

 

1. Übereinstimmung mit der Schrift und den Vätern im Glauben 

Quelle und der Grund unseres Glaubens ist die Offenbarung des dreieinigen Gottes. Diese ist verbindlich festgehalten in der Heiligen Schrift. Wir sehen uns in der Kontinuität der Alten Kirche und der Kirche der Reformation. Ihre Bekenntnisschriften (wie beispielsweise das Apostolikum und der Heidelberger Katechismus) formulieren für die Gemeinde Jesu verbindliche Eckpunkte christlicher Lehre, wo sie sich  dabei vorbehaltlos der Autorität der Heiligen Schrift unterordnen. Wir nehmen die Anliegen der wichtigsten theologischen Erklärungen des 20. Jahrhunderts auf: der Berliner Erklärung (1909), der Chicago-Erklärung (1979) und der Padua-Erklärung. Die folgenden Aussagen sind nicht subjektive Glaubenssätze, sondern reale Bestimmungen, welche die dem Glauben vorgegebene Wirklichkeit beschreiben. 

 

2. Von der Offenbarung und der Heiligen Schrift 

Die Offenbarung Gottes, durch die Gott sich dem Menschen zu erkennen gegeben hat, umfasst sowohl die in der Heiligen Schrift aufgezeichnete Geschichte als auch deren Auslegung durch die Heilige Schrift selbst und greift in mehreren Aussagen der Schrift über bereits Geschehenes hinaus auf die Zukunft und die neue Schöpfung. Sie ist vollendet in der Sendung seines Sohnes Jesus Christus und der Ausgießung seines Heiligen Geistes. Das Kommen Jesu Christi wird im Alten Testament vorbereitet und im Neuen Testament als geschehen bezeugt. Die Offenbarung Gottes ist einmalig. Sie unterscheidet sich in Gesetz und Evangelium. Wir bekennen, dass die Heilige Schrift von Gott bis in den Wortlaut hinein durch den Heiligen Geist geredet worden ist und von berufenen Menschen aufgeschrieben ist, dass sie um der Wahrheit Gottes willen in allen Aussagen wahr und vertrauenswürdig ist, dass sie vollkommen ausreicht, um dem Menschen Anteil zu geben an dem in Christus vollbrachten Heil, dass sie in ihren Aussagen und Absichten klar ist, dass sie den Glauben an Jesus Christus begründet und dass sie die ausschließliche Norm für Lehre und Leben ist. Wir verwerfen die Lehre, es gebe spezielle Offenbarungen Gottes außerhalb der in der Heiligen Schrift bezeugten und verbindlich gedeuteten Geschichte. Wir verwerfen die Lehre, die Heilige Schrift enthalte nicht alle Bedingungen zu ihrem rechten Verständnis in sich selbst, sodass sie sich erst durch Bezug auf menschliche Traditionen oder durch ihre Unterwerfung unter sogenannte kritisch-wissenschaftliche Forschung recht verstehen lasse. Wir verwerfen ferner die Lehre, die Bibel enthalte Irrtümer oder Aussageabsichten, die dem klaren Wortlaut nicht zu entnehmen sind oder ihm widersprechen. 

 

3. Von Gott 

Wir bekennen den einen, dreieinigen und ewigen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, in drei Personen gleichen Wesens, und doch ein Gott. Wir bekennen, dass Gott allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist und heilig, gerecht und voll Liebe zum Sünder, doch zornig gegenüber dem, der seinem Wort nicht glaubt. Wir verwerfen die Lehre, Gott sei eine unpersönliche, anonyme Kraft und Gottes Zorn sei nicht wirklich.

 

4. Von der Schöpfung 

Wir bekennen, dass der dreieinige Gott am Anfang die Welt in 6 Tagen von je 24 Stunden geschaffen hat und noch erhält, dass die Schöpfung ursprünglich sehr gut war und dass die Leiblichkeit ebenso wie die geschöpflichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, zwischen Mensch und Tier, den verschiedenen Arten (Grundtypen) und von Tieren und Pflanzen gottgewollt sind. Wir verwerfen die Lehre, das Universum sei während langer Zeiträume aus sich selbst heraus entstanden oder Gott habe es durch diese Zeiträume sich entwickeln lassen. Wir verwerfen die Lehre, die Erde sei ein in sich selbst gründendes oder von einer unpersönlichen Kraft durchwaltetes, die gottgewollten Unterschiede aufhebendes Ökosystem. 

 

5. Von der Sünde 

Wir bekennen, dass durch den konkreten Ungehorsam des ersten Menschenpaares die Sünde in die Welt gekommen ist, dass die Sünde in ihrem Wesen darin besteht, wie Gott sein und gegen Gottes Gebot frei bestimmen zu wollen, was gut und böse ist, dass die Sünde sowohl durch die Versuchung vonseiten des Satans als auch durch den Ungehorsam des Menschen bedingt ist, dass sie die zuvor angekündigte Bestrafung mit dem Tod nach sich zieht und die vollständige Verkehrung des Menschen im Blick auf sein Verhältnis zu Gott zur Folge hat, und dass sie durch Gottes Gesetz erkannt wird. Wir verwerfen die Lehre, die Sünde sei primär ein innerweltliches Übel, das in dem freien Entschluss des Menschen begründet, durch psychische Faktoren zu erklären oder durch psycho- bzw. soziotherapeutische Verfahren zu beheben sei. 

 

6. Von Jesus Christus 

Wir bekennen, dass Jesus Christus von Ewigkeit her der Sohn Gottes und Gott in Person ist, dass er Mensch wurde, indem er durch den Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren wurde und dass er durch seine Worte und Werke, Zeichen und Wunder als der von Gott im Alten Testament verheißene Messias erwiesen wurde. Wir bekennen, dass Gott in seiner Gnade durch ihn das Evangelium offenbart hat, dass er stellvertretend für die Menschen zur Sühne und Strafe für ihre Sünden gelitten hat und gestorben ist, dass er am dritten Tag nach seinem Tod und Begräbnis leibhaftig auferstanden und nach weiteren vierzig Tagen in den Himmel aufgefahren ist, von wo er über die Gemeinde und die Welt regiert und leibhaftig sichtbar wiederkommen wird. Wir bekennen, dass Gott in ihm den Neuen Bund geschlossen und die Zusage der Vergebung und des ewigen Lebens allen Menschen zugänglich gemacht hat. Wir verwerfen die Lehre, neben Jesus gebe es andere Wege zu Gott, Jesus sei nur Mensch gewesen, seine Gottheit bestehe nur in seiner besonderen Religiosität und deren Auswirkungen, er habe den Menschen nur ein Vorbild geben wollen, sein Tod sei keine stellvertretende Strafe und seine Auferstehung sei nicht wirklich geschehen, sondern als ein bloßes „Weitergehen der Sache Jesu“ zu verstehen. 

 

7. Vom Heiligen Geist 

Wir bekennen, dass der Heilige Geist ebenso wie der Vater und der Sohn Gott ist. Wir bekennen: Er verherrlicht Christus, er wirkt in der Erhaltung der Schöpfung, in den Fakten der Heilsgeschichte und hat die heilige Schrift inspiriert; Er wirkt die Zueignung des in Christus vollbrachten Heils, indem er die Herzen erleuchtet und den Glauben an das Evangelium wirkt; Er wohnt in den Glaubenden, verleiht Gaben zum Dienst und baut die Gemeinde auf. Wir verwerfen die Lehre, der Heilige Geist sei eine unpersönliche Kraft, die die Menschen überwältige, in verfügbarer Weise besessen werden könne und sich notwendig in außergewöhnlichen Ereignissen und Erlebnissen manifestiere. 

 

8. Von der Gemeinde (Kirche) 

Wir bekennen, dass es die eine, heilige christliche Gemeinde (Kirche) gibt, deren wahre Glieder vor Grundlegung der Welt in Christus erwählt wurden und die sich als Bundesvolk Gottes aus Israel und den Heiden in der Welt versammelt, die durch die Predigt des Evangeliums gebaut wird, die die Taufe und  das Abendmahl nach dem Willen ihres Herrn gebraucht, im rechten Glauben an Jesus Christus steht, in der Liebe lebt und auf ihre Vollendung bei der Wiederkunft Christi hofft. Wir verwerfen die Lehre, die Kirche sei automatisch dort, wo sie bloß formal-rechtlich als Institution Kirche zu sein beansprucht oder sich einer Kirchenleitung zuordnet, oder wo Taufe und Abendmahl bloß äußerlich vollzogen werden, sie sei eine Religionsgemeinschaft aus menschlichem Willen oder sie sei Kirche aufgrund ihres Strebens nach ethischer Vollkommenheit. 

 

9. Vom Menschen 

Wir bekennen, dass der Mensch als Mann und als Frau bleibend als Abbild Gottes geschaffen ist und im Gehorsam zu Gott über die Schöpfung herrschen soll, dass er aber durch den Sündenfall in seinem Wesen und seiner Veranlagung derart verkehrt wurde, dass er im aktiven Aufstand gegen Gott lebt und weder vor Gott Anerkennung finden noch in rechter Weise mit der Schöpfung umgehen kann, und dass er infolge der Sünde verloren ist. Wir verwerfen die Lehre, der Mensch sei in seiner Würde der übrigen Schöpfung lediglich gleichgestellt, sein innerstes Wesen sei triebhaft bestimmt, seine Leiblichkeit sei minderwertig oder er habe in sich einen guten Kern und könne etwas zu seinem Heil beitragen.  

Die Würde des Menschen basiert auf seinem Schöpfer und dessen Handeln und ist damit in dieser Welt unverlierbar. Gott liebt den Sünder und hasst die Sünde. 

 

10. Von Taufe und Abendmahl 

Wir bekennen, dass Gott dem Menschen das in Christus vollbrachte Heil durch das äußere Wort zueignet und dass Taufe und Abendmahl, vom Wort getragen, die Zusage seines Gnadenbundes bezeugen und besiegeln.  

Wir bekennen, dass eine rechtmäßige, im Namen des dreieinigen Gottes vollzogene Taufe nicht wiederholt werden darf. Wir bekennen, dass Taufe und Abendmahl demjenigen, der sie nicht im Glauben empfängt oder gebraucht, zum Gericht werden. Wir verwerfen die Lehre, das Heil werde durch eine direkte und innere, über das Wort und den Glauben des Herzens hinausgehende Wirkung des Heiligen Geistes zugeeignet, sei diese durch den bloßen äußerlichen Gebrauch von Taufe und Abendmahl vermittelt oder sei sie die Folge einer äußeren religiösen Übung. Wir verwerfen die Lehre und widersprechen ihr in jeder Form, die Taufe sei ohne Glauben heilswirksam (Taufwiedergeburt), oder sie hätte nur den Charakter eines subjektiven Bekenntnisses. 

 

11. Vom Glauben 

Wir bekennen, dass Gott den Menschen durch sein Wort zur Umkehr ruft und in seinem Herzen den Glauben schafft, der Christus ergreift, dass der Glaube den Zusagen Gottes in seinem Wort vertraut und er aufgrund der Wahrhaftigkeit Gottes Gewissheit hat, dass der Glaube sowohl die Zuversicht zum Gebet als auch eine neue Gesinnung beinhaltet, die Gottes Gebote bejaht und die Sünde verneint. Wir verwerfen die Lehre, der Mensch könne aus sich heraus glauben und der Glaube sei ein Gefühl oder nur ein Bewusstseinsakt. 

 

12. Von der Rechtfertigung 

Wir bekennen, dass die Rechtfertigung ein gnädiger Rechtsakt Gottes ist, bei dem Gott dem Sünder, den er zum Glauben an Christus erweckt hat, die im Sühnopfer Christi gewirkte, vollkommene Gerechtigkeit zurechnet, ihm die Sünden vergibt und ihn in seine Gemeinschaft aufnimmt, und dass der Mensch durch den Glauben zu jeder Zeit einen bedingungslosen Zugang zu dieser Wirklichkeit in Christus hat. Wir verwerfen die Lehre, Rechtfertigung sei eine effektive Gerechtmachung oder Gott spreche das Rechtfertigungsurteil unter Ansehung der ethischen Leistungen oder anderer Eigenschaften des Menschen. Wir verwerfen den Missbrauch der Rechtfertigungslehre zur Regelung sozialer oder politischer Verhältnisse oder zur Legitimierung von Sünde. 

 

13. Von den Werken 

Wir bekennen, dass die Werke, die Gott gefallen, vom Heiligen Geist gewirkte Früchte rechten Glaubens sind und dass sie getragen sind von der Liebe zu Gott und zum Nächsten; die Liebe gehorcht den Geboten Gottes nicht nur äußerlich, sondern von Herzen. Wir bekennen, dass der Christ im Glauben an Christus der Sünde widersteht, aber aufgrund der in ihm wohnenden Sünde in diesem Leben keine ethische Vollkommenheit erlangt. Wir verwerfen die Lehre, die Werke des Gläubigen seien Ausdruck einer seinshaft im Menschen angelegten Fähigkeit oder es gebe rechten Glauben ohne Werke. Wir verwerfen die Ansicht, gute Werke seien die Bedingung für eine tiefere Erfahrung der Gnade oder der Glaube könne durch äußere Werke erworben oder erhalten werden. 

 

14. Von den Geboten Gottes 

Wir bekennen, dass die Zehn Gebote, wie sie im Kleinen Katechismus M. Luthers und dem Heidelberger Katechismus erklärt sind, Grundlage der christlichen Ethik sind. Wir bekennen, dass die auf Lebenszeit eingegangene Ehe die von Gott gestiftete Form des Zusammenlebens von Mann und Frau ist. Wir verwerfen die Ansicht, dass der Mensch aus sich heraus wissen und entscheiden könne, was gut und böse sei. Wir verwerfen die Ansicht, geschlechtliche Beziehungen vor oder außerhalb der Ehe einschließlich gleichgeschlechtlicher Verhältnisse seien erlaubt und keine Sünde. Wir verwerfen die feministische Ideologie und verneinen das Recht der Frau zum öffentlichen Lehr- und Leitungsamt in der Gemeinde. 

 

15. Von den letzten Dingen 

Wir bekennen, dass die an Christus Gläubigen nach ihrem Tod in der Herrlichkeit des ewigen Lebens und der neuen Schöpfung bei Christus sein werden. Wir bekennen, dass Christus am Ende der Zeit sichtbar wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten, dass die Gläubigen als die rechtmäßigen Teilhaber am ewigen Leben in der neuen Schöpfung offenbar und die Ungläubigen der ewigen Verdammnis preisgegeben werden. Wir verwerfen die Lehre, die Vollendung der Welt sei im Rahmen eines unabsehbar langen innerweltlichen Entwicklungsprozesses zu sehen und es gebe keine ewige Bestrafung der Ungläubigen. 

 

16. Von der Erwählung 

Wir bekennen, dass Gott die Gemeinde Jesu Christi und ihre Glieder vor Grundlegung der Welt allein aus Gnade erwählt hat. Wir bekennen, dass Gottes Erwählung die Verantwortlichkeit des Menschen zu Buße und Glaube nicht außer Kraft setzt, sondern die Wahrnehmung dieser Verantwortung erst ermöglicht. Wir bekennen, dass die Heilsgewissheit des Christen ihren letzten Grund im Erwählungshandeln Gottes hat, der das von ihm begonnene Werk unfehlbar vollendet. Wir verwerfen die Spekulation, dass Gott die im Unglauben Verharrenden vor Grundlegung der Welt zum Unglauben und zur Verdammnis bestimmt habe. Wir verwerfen alle Versuche, die Spannung zwischen Gottes Souveränität und des Menschen Verantwortung zu einer der beiden Seiten hin aufzulösen. 

 

17. Verbundenheit  

Trotz differenter Traditionen und Formen wissen wir uns mit vielen Gemeinden und Werken  in Vergangenheit und Gegenwart durch unserem Herrn Jesus Christus verbunden, unter anderem aus 

  • dem Pietismus
  • der Täuferbewegung
  • der Brüderbewegung 
  • den reformatorischen und reformierten Gemeinden und manch weiteren, sofern der Dreieinige Gott und seine Offenbarung durch die Heilige Schrift als höchste Autorität uneingeschränkt anerkannt werden. 

 

18. Abgrenzung 

Wir widersprechen ausdrücklich folgenden Strömungen und Bewegungen und distanzieren uns von ihren Lehren:

  • die Römisch-Katholische Kirche und ihre Lehren
  • die Pfingstbewegung & die Charismatische Bewegung
  • die Zeugen Jehovas, die Neuapostolische Kirche und die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
  • die Ökumenebewegung & die „Ökumene der Religionen“
  • die emergente Bewegung, Social Gospel und die Herrschaftstheologie
  • die historisch-kritische Theologie (u.a. der EKD)
  • die Bundestheologie
  • emotionsorientierte Musikbewegungen 
  • die Neue Paulus-Perspektive
  • die psychotherapeutische Seelsorge
  • die Taufwiedergeburtslehre
  • die Allversöhnungslehre
  • die feministische Theologie
  • die Lehren der Werkgerechtigkeit (Erreichen oder Erhalten des Heils durch eigene Werke) und das sogenannte Wohlstandsevangelium
  • Gemeinschaften, die das Heil nur innerhalb ihrer Organisation für erreichbar halten (Sekten)
  • weitere Bewegungen, welche die Bibel durch eigene Lehren, Offenbarungen, Traditionen oder Ansichten zu ergänzen versuchen. 

 

Wir sind der Überzeugung, dass es auch innerhalb von Irrlehren, Sekten und falschen Strömungen echte, wiedergeborene Christen gibt, mit denen wir als Gemeinde durch unseren Herrn Jesus Christus ewig verbunden sind. Wir hoffen und beten für diese Geschwister, dass sie die Unvereinbarkeit der falschen Lehren mit Gottes Wahrheit erkennen und daraus Konsequenzen ziehen.

 

Die Padua-Erklärung (1999) 

des Istituto di Formazione Evangelica e Documentazione (IFED) und der Italienischen Evangelischen Allianz

 

In den Jahren nach dem 2.Vatikanischen Konzil (1962-65) haben Evangelikale ein neues Interesse am Römischen Katholizismus gezeigt. Auf internationaler Ebene hat dieses Interesse zu einer Serie von Zusammentreffen zum Thema Mission geführt („Der Evangelikal-Römisch Katholische Dialog zur Mission 1977-1984“) und hat den Weg geebnet für einen andauernden Dialog zwischen der Weltweiten Evangelischen Allianz und dem Päpstlichen Rat für die Förderung Christlicher Einheit zu den Themen Rechtfertigung, Heilige Schrift und Tradition (Venedig 1995) und Kirche (Jerusalem 1997). 

1989 veröffentlichte die Weltweite Evangelische Allianz ein wichtiges Dokument zum Katholizismus, „Eine Evangelikale Perspektive zum Römischen Katholizismus“. In den Vereinigten Staaten wurden eher kontroverse Dokumente verfasst wie „Evangelikale und Katholiken zusammen“ (1994) und „Die Gabe des Heils“ (1997). Bis in die jüngere Vergangenheit, so lässt sich sagen, war die evangelikale Beurteilung des Katholizismus ausnahmslos kritisch. Heute ist das nicht mehr so. Auf vielen Gebieten gibt es Anzeichen für einen deutlichen Wandel hinsichtlich dessen, wie Evangelikale die Katholische Kirche sehen. Das gemeinsame Verständnis musste einer Auffassung weichen, die weniger deutlich und oft verwirrend ist. 

Das folgende Dokument will ein Beitrag zu einer evangelikalen Beurteilung des Katholizismus und der Kriterien sein, die im Umgang mit ihm angewandt werden sollten. 

Das Wesen des Katholizismus 

  1. Der Römische Katholizismus ist eine komplexe Wirklichkeit. Eine umfassende Anschauung des Katholizismus muss seine Lehre, Kultur und Institutionen berücksichtigen. Er ist eine religiöse Weltanschauung, die durch die Geschichte hindurch von der Kircheninstitution verbreitet wurde, die in Rom ihr Zentrum hat. Obwohl es eine beachtliche Unterschiedlichkeit in den Ausdrucksformen gibt, ist der Katholizismus im Grund eine geschlossene Wirklichkeit, deren Grundannahmen feststellbar sind. Jede Analyse, die nicht berücksichtigt, dass der Katholizismus ein System ist, wird Beute eines oberflächlichen und stückwerkhaften Verständnisses des Phänomens. 
  2. Ausgangspunkt des Katholizismus ist die thomistische Konzeption des Verhältnisses von „Natur“ und „Gnade“, in die die Idee der Kirche als Fortsetzung der Inkarnation des Gottessohnes eingezeichnet ist. Diese beiden Themen können leicht unterschiedlich und mit jeder Menge von Auslegungsvarianten präsentiert werden, aber angesichts der Tatsache, dass sie den ideologischen Rahmen des Katholizismus bilden, werden sie immer vorhanden sein. Diese grundlegende Ausrichtung schon in den Voraussetzungen erklärt, warum der Römische Katholizismus kein Gespür für die Tragik der Sünde hat, warum er zu einer optimistischen Sicht der menschlichen Fähigkeiten ermutigt, warum er das Heil als einen Prozess sieht, in dem die Natur vervollkommnet wird, und warum er die Rolle der Kirche als Mittlerin zwischen Mensch und Gott rechtfertigt. 
  3. Das globale Ziel des Katholizismus ist Katholizität. Nach römisch-katholischem Verständnis hat Katholizität zugleich mit Einheit und Totalität zu tun. Die Grundidee ist, dass Vielfalt in Einheit gebracht werden soll. Die Kirche wird als Ausdruck, Garant und Förderer wahrer Einheit gesehen. Solange die institutionelle Struktur, die diese Einheit umfasst, intakt bleibt, kann und muss alles innerhalb des Reiches des Katholizismus irgendwo seine Heimat finden.
  4. Grundvoraussetzung und Hauptziel des Katholizismus sollen nun, so die Methode, auf dem Weg der Integration (sowohl – als auch) realisiert werden. Der Römische Katholizismus ist ein Meister des Einverleibens von Elementen in sein System, die nicht nur verschieden, sondern widersprüchlich und vielleicht sogar unvereinbar sind. Wesensmerkmal dabei ist nicht das evangelischer Reinheit oder christlicher Authentizität, sondern das einer fortschreitenden Vereinnahmung – also das Einfügen des Einzelnen in eine breitere Perspektive, die das Spezifische aufhebt und in den Dienst des Universalen hinein auflöst. 

    Die Strategie hinter dem Katholizismus
     
  5. Im heutigen religiösen Panorama ist deutlich, dass der Katholizismus ein sehr klares Programm hat, um Katholizität zu erreichen. Das wird vor allem in seiner ökumenischen Strategie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich – wobei jede Gelegenheit ergriffen wird, dieses Anliegen voranzutreiben. Die offensichtlichen Zeichen der Bereitschaft zum Dialog und der Verfügbarkeit für Kontakt mit den Evangelikalen sollte für diese Anlass sein sich zu fragen, ob das Endziel der Katholischen Kirche nicht tatsächlich das ist, die eigene Synthese so weit auszudehnen, dass sie auch die evangelikalen Werte in den eigenen Horizont mit einschließt. Diese Strategie schließt allerdings nicht nur Evangelikale mit ein, sondern erstreckt sich zu allen Religionen und religiösen Körperschaften weltweit. 
  6. Ein wichtiger Teil dieser Strategie war die Proklamation des Jahres 2000 als Heiliges Jahr, fälschlich „Jubeljahr“ genannt. Der Beginn eines neuen Millenniums ist ein Ereignis, für das die Katholische Kirche viel investiert und sich sorgfältig darauf vorbereitet hat. Das Jahr 2000, als Heiliges Jahr, ist ein Ereignis, das die vielgesichtige Natur des gegenwärtigen Katholizismus deutlich werden lässt. Das „Jubeljahr“ des Vatikans macht sehr deutlich, was die vorherrschenden Tendenzen im Katholizismus heute sind und wie die Nahziele in Richtung Katholizität aussehen. 

    Evangelikale Unterschiede zum Katholizismus 
     
  7. Wenn Evangelikale ein besseres Verständnis des Katholizismus gewinnen wollen, müssen sie ihre eigene Identität gut kennen: Ein angemessenes Verständnis des Katholizismus gibt es nicht ohne ein angemessenes Verständnis des evangelikalen Glaubens. Eine klare Position hinsichtlich des einen verlangt eine klare Position hinsichtlich des anderen.
  8. Obwohl es viele Unterschiede auf vielen Ebenen zwischen dem Katholizismus und dem evangelikalen Glauben gibt, haben diese alle miteinander zu tun und gehen, wenn man der Sache auf den Grund geht, auf eine radikal unterschiedliche Grundorientierung zurück. Es geht um eine Unterschiedlichkeit, die nicht nur psychologisch, historisch oder kulturell erklärt werden kann und die auch nicht nur aus unterschiedlichen Lehrbetonungen stammt, die etwa komplementär gesehen werden könnten. Die Unterschiedlichkeit ist bereits auf der Ebene der Voraussetzungen gegeben, und dies beeinflusst und bestimmt notwendigerweise sowohl die Ziele, als auch die Methoden der beiden Konfessionen.
  9. Die Lehrübereinstimmung zwischen Katholiken und Evangelikalen, die sich im gemeinsamen Stehen zu den Bekenntnissen und Konzilen der ersten fünf Jahrhunderte zeigt, ist keine ausreichende Basis um zu sagen, dass es eine Übereinstimmung hinsichtlich der wesentlichen Punkte des Evangeliums gebe. Zudem legen die Entwicklungen in der Katholischen Kirche der folgenden Jahrhunderte den Verdacht nahe, dass dieses Einstehen mehr formal als substantiell sein könnte. Die gleiche Beobachtung könnte gemacht werden, wenn es um die Übereinstimmungen zwischen Evangelikalen und Katholiken in ethischen und sozialen Fragen geht. Es gibt da eine ähnliche Perspektive, die in der Allgemeinen Gnade begründet ist sowie in dem Einfluss, den das Christentum insgesamt im Lauf der Geschichte ausgeübt hat. Weil Theologie und Ethik aber nicht getrennt werden können, lässt sich nicht sagen, dass es eine gemeinsame ethische Sicht gibt – die zu Grunde liegenden Theologien sind wesentlich unterschiedlich. Wenn es also kein grundlegendes Einverständnis hinsichtlich der Grundlagen des Evangeliums gibt, sind solche Übereinstimmungen, selbst wenn es in ethischen Fragen Ähnlichkeiten geben mag, eher formaler als substantieller Natur. 
  10. Der entscheidende Punkt ist, dass die während der Reformation des 16. Jahrhunderts wiederentdeckte biblische Lehre hinsichtlich des „sola, solus“ als dem Kernstück des Evangeliums für ein evangelikales Verständnis „nicht verhandelbar“ ist. Die Schrift allein, Christus allein, Gnade allein, Gott allein die Ehre – diese Aussagen alle stellen die Kriterien dar für die Beschäftigung mit dem Katholizismus sowie das hermeneutische Prinzip, das angewandt werden sollte zur Interpretation dessen, was die Römisch Katholische Kirche bewegt. Auf der Basis des sola, solus erweist sich die Distanz, die den zeitgenössischen Katholizismus vom evangelikalen Glauben trennt, als nicht geringer, als dies zur Zeit der protestantischen Reformation der Fall war. Tatsächlich fährt der Katholizismus auch nach dem Ersten und Zweiten Vatikanischen Konzil fort, der Schrift die Autorität der Tradition und des Lehramts hinzuzufügen; Christus hat er die Kirche als Fortsetzung der Inkarnation hinzugefügt; der Gnade hat er die Notwendigkeit von Wohltaten hinzugefügt, die durch das sakramentale Amt der Kirche empfangen werden; dem Glauben hat er die Heilsnotwendigkeit von guten Werken hinzugefügt; der Anbetung Gottes hat er die Verehrung einer Schar anderer Gestalten hinzugefügt, die von der Anbetung des einzigen wahren Gottes nur ablenken. Verglichen mit dem Römischen Katholizismus zur Zeit von Trient ist der Kontrast in wichtigen Fragen heute zwar weniger scharf hervorgehoben, aber es hat keine grundlegende Veränderung gegeben. Die Exklusivität, die der evangelikale Glaube hinsichtlich der wesentlichen Elemente des Evangeliums vertritt, muss als Alternative zum katholischen Angebot einer allumfassenden Katholizität gesehen werden.
  11. Der gegenwärtige Schwall an Aktivitäten im zeitgenössischen Katholizismus (Rückkehr zur Bibel, liturgische Erneuerung, Aufwertung der Laien, Charismatische Bewegung, usw.) zeigt in sich selbst noch nicht, dass es Hoffnung auf eine Reformation im evangelischen Sinn innerhalb der Katholischen Kirche geben könnte. Erst wenn diese Entwicklungen die Strukturelemente verändern würden, die dem Wesen des Katholizismus zu Grunde liegen, indem sie diesen nicht erweitern, sondern im Licht Gottes reinigen würden, hätten sie eine wahrhaft reformatorische Funktion. Im heutigen Szenario scheinen diese Bewegungen aber, so interessant sie sind, doch eher die Sache der Katholizität als die der Reformation zu befördern. 

    Beziehungen mit Katholiken 
     
  12. Was für die Katholische Kirche als eine lehrmäßige und institutionelle Realität gilt, trifft nicht notwendig auf individuelle Katholiken zu. Gottes Gnade wirkt in Männern und Frauen, die – obwohl sie sich als Katholiken betrachten mögen – ihr Vertrauen auf Gott allein setzen, eine persönliche Beziehung zu ihm pflegen, die Schrift lesen und ein christliches Leben führen. Diese Leute sollten allerdings ermutigt werden einmal zu durchdenken, ob ihr Glaube tatsächlich zur Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche passt. Ihnen muss geholfen werden, selbstkritisch verbleibende katholische Elemente in ihrem Denken im Licht des Wortes Gottes zu überprüfen. 
  13. Bei der Erfüllung des Kulturauftrags kann es Momente des Kontakts geben, in denen es zu Zusammenarbeit und gemeinsamer Aktion zwischen Evangelikalen und Katholiken kommt, wie dies in der Tat auch zwischen Evangelikalen und Menschen anderer religiöser oder ideologischer Orientierung möglich ist. Wo es um gemeinsame Werte in ethischen, sozialen, kulturellen und politischen Angelegenheiten geht, sind Formen von Kampfgemeinschaften zu befürworten. Diese notwendigen und unausweichlichen Kooperationsformen sollten aber weder als ökumenische Initiativen angesehen, noch als Indiz für die Wiederherstellung eines Lehrkonsens konstruiert werden. 
  14. Die Erfüllung des Missionsbefehls erfordert, dass seine Missionare aus der Gemeinschaft der Glaubenden kommen und vereint sind in dem gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens hinsichtlich all der fünf „solus“ der Reformation. In diesem Sinn muss jegliche evangelistische Aktivität, zuhause wie in Übersee, in der es Kooperation zwischen Katholiken und Evangelikalen gibt, ernsthaft überprüft werden. Ein zuverlässiges Zeugnis des Auferstandenen muss allen Männern und Frauen überall gegeben werden, gleichgültig welche religiöse Zugehörigkeit sie haben. 
  15. Der Römische Katholizismus ist eine Realität, die ernsthaft studiert und überprüft werden muss. Die grundlegende Unterschiedlichkeit zwischen Katholizismus und evangelikalem Glauben ist kein Grund, die Entwicklungen innerhalb des Katholizismus zu ignorieren, eine arrogante Haltung zu pflegen oder maßlos polemisch zu sein. So weit wie möglich sollte eine offene, direkte und konstruktive Auseinandersetzung mit dem Katholizismus gesucht werden, vor allem hinsichtlich der Grundorientierung der beiden Konfessionen. Dabei sollte, was gegenwärtig „Dialog“ genannt wird, nicht als eine ökumenische Aktivität eingestuft werden, sondern schlicht als Ausdruck des Bestrebens zu verstehen und zu bezeugen. 

Padua, 10./11. September 1999

Übersetzung: Helge Stadelmann (Bibelbund)

DIE BERLINER ERKLÄRUNG (1909) 

Die unterzeichnenden Brüder erheben warnend ihre Stimme gegen die sogen. Pfingstbewegung.

  1. Wir sind nach ernster gemeinsamer Prüfung eines umfangreichen und zuverlässigen Materials vor dem Herrn zu folgendem Ergebnis gekommen:
    a) Die Bewegung steht im untrennbarem Zusammenhang mit der Bewegung von Los Angeles, Christiania, Hamburg, Kassel, Großalmerode. Die Versuche, diesen Zusammenhang zu leugnen, scheitern an den vorliegenden Tatsachen
    b) Die sogenannt Pfingstbewegung ist nicht von oben, sondern von unten; sie hat viele Erscheinungen mit dem Spiritismus gemein. Es wirken in ihr Dämonen, welche, vom Satan mit List geleitet, Lüge und Wahrheit vermengen, um die Kinder Gottes zu verführen. In vielen Fällen haben sich die sogenannt „Geistbegabten“ nachträglich als besessen erwiesen.
    c) An der Überzeugung, dass diese Bewegung von unten her ist, kann uns die persönliche  Treue und Hingebung einzelner führender Geschwister nicht irre machen, auch nicht die Heilungen, Zungen, Weissagungen usw., von denen die Bewegung begleitet ist. Schon oft sind solche Zeichen mit ähnlichen Bewegungen verbunden gewesen, z.B. mit dem Irvingianismus, ja selbst mit der „christlichen Wissenschaft“ (Christian Science) und dem Spiritismus.
    d) Der Geist in dieser Bewegung bringt geistige und körperliche Machtwirkungen hervor, dennoch ist es ein falscher Geist. Er hat sich als solcher entlarvt. Die hässlichen Erscheinungen wie Hinstürzen, Gesichtszuckungen, Zittern, Schreien, widerliches, lautes Lachen usw. treten auch diesmal in Versammlungen auf. Wir lassen dahingestellt, wie viel davon dämonisch, wie viel hysterisch oder seelisch ist - gottgewirkt sind solche Erscheinungen nicht.
    e) Der Geist dieser Bewegung führt sich durch das Wort Gottes ein, drängt es aber in den Hintergrund durch sogenannte „Weissagungen“. Vergl. 2. Chron. 18,18-22. Überhaupt liegt in diesen Weissagungen eine große Gefahr; nicht nur haben sich in ihnen handgreifliche Widersprüche herausgestellt, sondern sie bringen da und dort Brüder und ihre ganze Arbeit in sklavische Abhängigkeit von diesen „Botschaften“. In der Art ihrer Übermittlung gleichen die letzteren den Botschaften spiritistischer Medien. Die Übermittler sind meist Frauen. Das hat an verschiedenen Punkten der Bewegung dahin geführt, dass gegen die klaren Weissagungen der Schrift Frauen, sogar junge Mädchen, leitend im Mittelpunkt stehen.
  2. Eine derartige Bewegung als von Gott geschenkt anzuerkennen, ist uns unmöglich. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass in den Versammlungen die Verkündigung des Wortes Gottes durch die demselben innewohnende Kraft Früchte bringt. Unerfahrene Geschwister lassen sich durch solche Segnungen des Wortes Gottes täuschen. Diese ändern aber an dem Lügencharakter der ganzen Bewegung nichts, vergl. 2. Kor. 11,3.4.14.
  3. Die Gemeinde Gottes in Deutschland hat Grund, sich tief zu beugen darüber, dass diese Bewegung Aufnahme finden konnte. Wir alle stellen uns wegen unserer Mängel und Versäumnisse, besonders auch in der Fürbitte, mit unter diese Schuld. Der Mangel an biblischer Erkenntnis und Gründung, an heiligem Ernste und Wachsamkeit, eine oberflächliche Auffassung von Sünde und Gnade, von Bekehrung und Wiedergeburt, eine willkürliche Auslegung der Bibel, die Lust an neuen aufregenden Erscheinungen, die Neigung zu Übertreibungen, vor allem aber auch Selbstüberhebung, - das alles hat dieser Bewegung die Wege geebnet.
  4. Insonderheit aber ist die unbiblische Lehre vom sogenannt „reinen Herzen“ für viele Kreise verhängnisvoll und für die sogenannte Pfingstbewegung förderlich geworden. Es handelt sich dabei um den Irrtum, als sei die „innewohnende Sünde“ in einem begnadigten und geheiligten Christen ausgerottet. Wir halten fest an der Wahrheit, dass der Herr die Seinigen vor jedem Straucheln und Fallen bewahren will und kann (1. Thess. 5,23; Jud. 24.25; Hebr. 13,21) und dass dieselben Macht haben, durch den Heiligen Geist über die Sünde zu herrschen. Aber ein „reines“ Herz, das darüber hinausgeht, auch bei gottgeschenkter, dauernder Bewahrung mit Paulus demütig sprechen zu müssen: „Ich bin mir selbst nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt“, empfängt der Mensch überhaupt auf Erden nicht. Auch der gefördertste Christ hat sich zu beugen vor Gott, der allein Richter ist über den wahren Zustand der Herzen, vergl. 1. Kor. 4,4. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“, 1. Joh. 1,8.
    In Wahrheit empfängt der Gläubige in Christo ein fleckenlos gereinigtes Herz, aber die Irrlehre, dass das Herz in sich einen Zustand der Sündlosigkeit erreichen könne, hat schon viele Kinder Gottes unter den Fluch der Unaufrichtigkeit gegenüber der Sünde gebracht, hat sie getäuscht über Sünden, die noch in ihrer Gedankenwelt, in ihren Versäumnissen oder in ihrem Zurückbleiben hinter den hohen Geboten Gottes in ihrem Leben liegen. Es kann nicht genug ermahnt werden, für die Sünde ein Auge sich zu bewahren, welches nicht getrübt ist durch eine menschlich gemachte Heiligung oder durch eine eingebildete Lehre von der Hinwegnahme der Sündennatur. Mangelnde Beugung über eigene Sünde verschließt den Weg zu neuen Segnungen und bringt unter den Einfluss des Feindes. Traurige Erfahrungen in der Gegenwart zeigen, dass da, wo man einen Zustand von Sündlosigkeit erreicht zu haben behauptet, der Gläubige dahin kommen kann, dass er nicht mehr fähig ist, einen Irrtum zuzugeben, geschweige denn zu bekennen. Eine weitere traurige Folge falscher Heiligungslehre ist die mit ihr verbundene Herabsetzung des biblischen, gottgewollten ehelichen Lebens, indem man mancherorts den ehelichen Verkehr zwischen Mann und Frau als unvereinbar mit wahrer Heiligung hinstellt, vgl. 1. Mose 1,28 und Eph. 5,31.
  5. In der sogenannten „Pfingstbewegung“ steht in Deutschland Pastor Paul als Führer vor der Öffentlichkeit. Er ist zugleich der Hauptvertreter der vorstehend abgewiesenen unbiblischen Lehren. Wir lieben ihn als Bruder und wünschen, ihm und der Schar seiner Anhänger in Wahrheit zu dienen. Es ist uns ein Schmerz, gegen ihn öffentlich Stellung nehmen zu müssen. An Aussprachen mit ihm und an Ermahnungen im engeren und weiteren Brüderkreise hat es nicht gefehlt. Nachdem alles vergeblich war, müssen wir nun um seinet- und der Sache Gottes willen hiermit aussprechen: Wir, die unterzeichnenden Brüder, können ihn als Führer und Lehrer in der Gemeinde Jesu nicht mehr anerkennen. Wir befehlen ihn in Liebe, Glaube und Hoffnung der zurechtbringenden Gnade des Herrn.
  6. Wir glauben, dass es nur ein Pfingsten gegeben hat, Apostelgeschichte 2. Wir glauben an den Heiligen Geist, welcher in der Gemeinde Jesu bleiben wird in Ewigkeit, vgl. Joh. 14,16. Wir sind darüber klar, dass die Gemeinde Gottes immer wieder erneute Gnadenheimsuchungen des Heiligen Geistes erhalten hat und bedarf. Jedem einzelnen gilt die Mahnung des Apostels: „Werdet voll Geistes!“ Epheser 5,18. Der Weg dazu ist und bleibt völlige Gemeinschaft mit dem gekreuzigten, auferstandenen und erhöhten Herrn. In ihm wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig, aus der wir nehmen Gnade um Gnade. Wir erwarten nicht ein neues Pfingsten; wir warten auf den wiederkommenden Herrn. Wir bitten hierdurch alle unsere Geschwister um des Herrn und seiner Sache willen, welche Satan verderben will: Haltet euch von dieser Bewegung fern! Wer aber von euch unter die Macht dieses Geistes geraten ist, der sage sich los und bitte Gott um Vergebung und Befreiung. Verzaget nicht in den Kämpfen, durch welche dann vielleicht mancher hindurchgehen wird. Satan wird seine Herrschaft nicht leichten Kaufes aufgeben. Aber seid gewiss: Der Herr trägt hindurch! Er hat schon manchen frei gemacht und will euch die wahre Geistesausrüstung geben.
    Unsere feste Zuversicht in dieser schweren Zeit ist diese: Gottes Volk wird aus diesen Kämpfen gesegnet hervorgehen! Das dürft auch ihr, liebe Geschwister euch sagen, die ihr erschüttert vor den Tatsachen steht, vor welche unsere Worte euch stellen. Der Herr wird den Einfältigen und Demütigen Licht geben und sie stärken und bewahren. Wir verlassen uns auf Jesum, den Erzhirten. Wenn jeder dem Herrn und seinem Worte den Platz einräumt, der ihm gebührt, so wird ER das Werk seines Geistes, das Er in Deutschland so gnadenreich angefangen hat, zu seinem herrlichen, gottgewollten Ziele durchführen. Wir verlassen uns auf Ihn, der da spricht: „Meine Kinder und das Werk meiner Hände lasset mir anbefohlen sein!“ Jesaja 45,11.

Berlin, den 15. September 1909

[Unterschriften:]

Bähren, Bielefeld; Bartsch, Charlottenburg; Blecher, Friedrichshagen; Broda, Gelsenkirchen; A. Dallmeyer, Leipzig; Dolmann, Wandsbek; Engel, Neurode; Evers, Rixdorf; Frank, Hamburg; Grote, Oberfischbach; Hermann, Berlin; Heydorn, Frankfurt a. Oder; Huhn, Freienwalde a. Oder; Ihloff, Neumünster; Jörn, Berlin; Kmitta, Preuss.-Bahnau; Knippel, Duisburg; Köhler, Berlin; Graf Korff, Bielefeld; Kühn, Gr. Lichterfelde; Lammert, Berlin; Lohe, Breslau; K. Mascher, Steglitz; Fr. Mascher, Lehe i. Bielefeld; Meister, Waldenburg i. Schlesien; Merten, Elberfeld; Michaelis, Bielefeld; Freiherr v. Patow, Zinnitz; Rohrbach, Charlottenburg; von Rot(h)kirch, Berlin; Rudersdorf, Düsseldorf; Ruprecht, Herischdorf; Sartorius, Sterbfritz; Scharwächter, Leipzig; Schiefer, Neukirchen; Schopf,Witten a. d. Ruhr; Schrenk, Barmen; Schütz, Berlin; Schütz, Rawitsch; Seitz, Teichwolframsdorf; Simoleit, Berlin; Stockmayer, Hauptweil; Freiherr von Thiele-Winckler, Rothenmoor; Thiemann, Marklissa; von Tres(c)kow, Camenz i. Schlesien; Freiherr von Thümmler, Selka; M. Urban, Kattowitz; Urbschat, Hela; Vasel, Königsberg; von Viebahn, Stettin; Wächter, Frankfurt a. Main; Wallraff, Berlin; Warns, Berlin; Wittekindt, Wernigerode a. Harz; Wüsten, Görlitz; von Zastrow, Gr. Breesen

Chicago-Erklärung  

zur Glaubwürdigkeit der Bibel (1979)

 die ungekürzte Erklärung ist hier online verfügbar
 

Artikel 1 
Wir bekennen, dass die Heilige Schrift als das autoritative Wort Gottes anzun ehmen ist. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass die Schrift ihre Autorität von der Kirche, der Tradition oder irgendeiner anderen menschlichen Quelle erhielte. 

 

Artikel 2 
Wir bekennen, dass die Schrift die höchste schriftliche Norm ist, durch die Gott das Gewissen bindet und dass die Autorität der Kirche derjenigen der Schrift untergeordnet ist. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass kirchliche Bekenntnisse, Konzilien oder Erklärungen eine höhere oder gleichrangige Autorität gegenüber der Autorität der Bibel hätten. 

 

Artikel 3 
Wir bekennen, dass das geschriebene Wort in seiner Gesamtheit von Gott gegebene Offenbarung ist. 

Wir verwerfen die Auffassung, daß die Bibel lediglich ein Zeugnis von der Offenbarung sei oder nur durch die Begegnung mit ihr Offenbarung werde oder dass sie in ihrer Gültigkeit von einer Antwort des Menschen abhängig sei. 

 

Artikel 4 
Wir bekennen, dass Gott, der die Menschheit in seinem Bild geschaffen hat, die Sprache als Mittel seiner Offenbarung benutzt hat. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass die menschliche Sprache durch unsere Kreatürlichkeit so begrenzt sei, daß sie als Träger göttlicher Offenbarung ungeeignet sei. Wir verwerfen ferner die Auffassung, dass die Verdorbenheit der menschlichen Kultur und Sprache durch Sünde Gottes Werk der Inspiration vereitelt habe. 

 

Artikel 5 
Wir bekennen, dass Gottes Offenbarung in der Heiligen Schrift eine fortschreitende Offenbarung war. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass eine spätere Offenbarung, die eine frühere Offenbarung erfüllen mag, diese jemals korrigiere oder ihr widerspräche. Wir verwerfen ferner die Auffassung, dass irgendeine normative Offenbarung seit dem Abschluss des neutestamentlichen Kanons gegeben worden sei. 

 

Artikel 6 
Wir bekennen, dass die Schrift als Ganzes und alle ihre Teile bis zu den Worten des Urtextes von Gott durch göttliche Inspiration gegeben wurden. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass die Inspiration der Schrift in ihrer Ganzheit ohne ihre Teile oder in einigen Teilen ohne ihre Ganzheit recht bekannt werden könne. 

 

Artikel 7 
Wir bekennen, dass die Inspiration jenes Werk war, in dem Gott uns durch seinen Geist durch menschliche Schreiber sein Wort gab. Der Ursprung der Schrift ist Gott selbst. Die Art und Weise der göttlichen Inspiration bleibt zum größten Teil ein Geheimnis für uns. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass Inspiration auf menschliche Einsicht oder einen höheren Bewusstseinszustand irgendeiner Art reduziert werden könne. 

 

Artikel 8 
Wir bekennen, dass Gott in seinem Werk der Inspiration die charakteristischen Persönlichkeiten und literarischen Stile der Schreiber, die er ausgewählt und zugerüstet hatte, benutzte. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass Gott die Persönlichkeit dieser Schreiber ausgeschaltet habe, als er sie dazu veranlasste, genau die Worte zu gebrauchen, die er ausgewählt hatte. 

 

Artikel 9 
Wir bekennen, dass die Inspiration zwar keine Allwissenheit verlieh, aber wahre und zuverlässige Aussagen über alle Dinge, über welche die biblischen Autoren auf Gottes Veranlassung hin sprachen und schrieben, garantierte. Wir verwerfen die Auffassung, dass die Begrenztheit oder das Gefallensein dieser Schreiber notwendigerweise oder auf andere Weise Verzerrungen oder Fehler in Gottes Wort eingeführt habe. 

 

Artikel 10 
Wir bekennen, dass die Inspiration streng genommen nur auf den autographischen Text der Schrift zutrifft, der aber durch die Vorsehung Gottes anhand der zur Verfügung stehenden Handschriften mit großer Genauigkeit ermittelt werden kann. Wir bekennen ferner, dass Abschriften und Übersetzungen der Schrift soweit Gottes Wort sind, als sie das Original getreu wiedergeben. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass irgendein wesentlicher Bestandteil des christlichen Glaubens von dem Fehlen von Autographen betroffen sei. Wir verwerfen ferner die Ansicht, dass ihr Fehlen die Verteidigung der biblischen Irrtumslosigkeit nichtig oder unerheblich mache. 

 

Artikel 11 
Wir bekennen, dass die Schrift unfehlbar ist, da sie durch göttliche Inspiration vermittelt wurde, so dass sie, da sie weit davon entfernt ist, uns irrezuführen, wahr und zuverlässig in allen von ihr angesprochenen Fragen ist. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass es möglich sei, dass die Bibel zur gleichen Zeit unfehlbar ist und sich in ihren Aussagen irrt. Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit dürfen unterschieden, nicht aber voneinander getrennt werden. 

 

Artikel 12 
Wir bekennen, dass die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos und damit frei von Fehlern, Fälschungen oder Täuschungen ist. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass sich die biblische Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit auf geistliche, religiöse oder die Erlösung betreffende Themen beschränke und Aussagen im Bereich der Geschichte und Naturwissenschaft davon ausgenommen seien. Wir verwerfen ferner die Ansicht, dass wissenschaftliche Hypothesen über die Erdgeschichte mit Recht dazu benutzt werden dürften, die Lehre der Schrift über Schöpfung und Sintflut umzustoßen. 

 

Artikel 13 
Wir bekennen, dass es angemessen ist, Irrtumslosigkeit als theologischen Begriff für die vollständige Zuverlässigkeit der Schrift zu gebrauchen. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass es angemessen sei, die Schrift anhand von Maßstäben für Wahrheit und Irrtum zu messen, die ihrem Gebrauch und ihrem Zweck fremd sind. Wir verwerfen ferner, dass die Irrtumslosigkeit von biblischen Phänomenen wie dem Fehlen moderner technischer Präzision, Unregelmäßigkeiten der Grammatik oder der Orthographie, Beschreibung der Natur nach der Beobachtung, Berichte über Unwahrheiten, dem Gebrauch von Übertreibungen oder gerundeten Zahlen, thematischer Anordnung des Stoffes, unterschiedlicher Auswahl des Materials in Parallelberichten oder der Verwendung freier Zitate in Frage gestellt werde. 

 

Artikel 14 
Wir bekennen die Einheit und innere Übereinstimmung der Schrift. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass angebliche Fehler und Widersprüche, die bis jetzt noch nicht gelöst wurden, den Wahrheitsanspruch der Bibel hinfällig machen würden. 

 

Artikel 15 
Wir bekennen, dass die Lehre von der Irrtumslosigkeit in der Lehre der Bibel über die Inspiration gegründet ist. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass man die Lehre Jesu über die Schrift mit dem Hinweis auf eine Anpassung [an die Hörer] oder auf irgendeine natürliche Begrenztheit seines Menschseins abtun könne. 

 

Artikel 16 
Wir bekennen, dass die Lehre von der Irrtumslosigkeit ein integraler Bestandteil des Glaubens der Kirche in ihrer Geschichte war. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass die Irrtumslosigkeit eine Lehre sei, die der scholastische Protestantismus erfand oder eine reaktionäre Position sei, die als Reaktion auf die negative Bibelkritik postuliert wurde. 

 

Artikel 17 
Wir bekennen, dass der Heilige Geist Zeugnis für die Schrift ablegt und den Gläubigen die Zuverlässigkeit des geschriebenen Wort Gottes versichert. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass dieses Zeugnis des Heiligen Geistes von der Schrift isoliert sei oder gegen die Schrift wirke. 

 

Artikel 18 
Wir bekennen, dass der Text der Schrift durch grammatisch-historische Exegese auszulegen ist, die die literarischen Formen und Wendungen berücksichtigt, und dass die Schrift die Schrift auslegt. 

Wir verwerfen die Berechtigung jeder Behandlung des Textes und jeder Suche nach hinter dem Text liegenden Quellen, die dazu führen, dass seine Lehren relativiert, für ungeschichtlich gehalten oder verworfen oder seine Angaben zur Autorschaft abgelehnt werden. 

 

Artikel 19 
Wir bekennen, dass ein Bekenntnis der völligen Autorität, Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Schrift für ein gesundes Verständnis des ganzen christlichen Glaubens lebenswichtig ist. Wir bekennen ferner, dass solch ein Bekenntnis dazu führen sollte, dass wir dem Bild Christi immer ähnlicher werden. 

Wir verwerfen die Auffassung, dass ein solches Bekenntnis zum Heil notwendig sei. Wir verwerfen jedoch darüber hinaus auch die Auffassung, dass die Irrtumslosigkeit ohne schwerwiegende Konsequenzen, sowohl für den einzelnen, als auch für die Kirche, verworfen werden könne.